Das „Try and Error“-Prinzip
Franziska Harnischs Performances und Interventionen im öffentlichen und halböffentlichen Raum suchen stets die soziale Interaktion und sind meist auf die Mitwirkung von Teilnehmern angewiesen. Ihre Aufrufe, Open Calls, Flashmobs und Handlungsanweisungen haben kuratorischen Charakter, sind innerhalb eines mehr oder weniger eng gesteckten Rahmens jedoch immer ergebnisoffen.
In Form von gemeinnützigen Freizeitarbeitseinsätzen im geselligen Rahmen, die unter dem Begriff „Subbotnik“ in kommunistischen Staaten praktiziert wurden, organisierte Franziska Harnisch zum Beispiel Putzaktionen, bei denen die Fassade von leerstehenden Ladenlokalen gereinigt, die Scheiben geputzt und Graffitis entfernt wurden. Verständlicherweise wirkten diese Aktionen auf das Laufpublikum irritierend bis absurd, teils initiierten sie aber auch eine freundliche Kommunikation. Das Geschehen und die Reaktionen der Passanten wurden meist in Echtzeit per Video dokumentiert.
Die Bandbreite dieser Art von Arbeiten beginnt beim Angebot Fenster zu kuratieren, beworben durch kleine Flyer in der Aufmachung von „Ich-kaufe Ihr-Auto“-Karten, die Franziska Harnisch an besonders pittoresk hässliche Fenster pappt, bis hin zur Installation von Duschvorhängen an öffentlichen Bushaltestellen. Von der ursprünglichen Idee die Duschvorhänge in Zügen zu aufzuhängen nahm die Künstlerin nach einer ausbrechenden Panik (aus Angst vor einem Terroranschlag) Abstand. Das „Try and Error“-Prinzip unterstreicht die experimentelle Disposition ihres Werkes.
Seit einiger Zeit bespielt Franziska Harnisch auch virtuelle Räume von Software und Internet. In einer beeindruckenden Online-Performance öffnete sie in der Timeline ihres Facebook-Accounts so schnell wie möglich alle Video- und Sound-Links. Nach und nach schichtete sich ein stetig anschwellender Soundbrei aus zufällig generierten Kakophonien und Euphonien auf, der sein Ende im Absturz des Browsers fand. „Reflexive (auf sich selbst reagierende) Loops“ nennt Franziska Harnisch die Ergebnisse dieser Arbeitsweise, die während ihrer Ausführung Stress erzeugen und in einem medialen Overkill endet.
In einer weiteren prägnanten Online-Performance wird dieser Stress-Faktor auf den Punkt gebracht: Franziska Harnisch missbraucht die Street-View-Funktion von Google-Maps als Fahrsimulator-Computerspiel und navigiert – so schnell wie es die eigene Hand und die Rechenleistung erlauben – als Geisterfahrerin auf einem Teilabschnitt der A 10. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die von der Spielerinnenhand ausgehende Verkrampfung des eigenen Körpers.
(aus dem Meisterschülerstatement von Prof. Thomas Rentmeister, 2018)